Unsuk Chin

*  14. Juli 1961

von Kerstin Schüssler-Bach

Essay

Klangskulpturale und theatrale Qualitäten

Die klangskulpturale und theatrale Qualität von Unsuk Chins Musik, die ihren Interpretinnen und Interpreten höchste Virtuosität abfordert, teilt sich unabhängig von der Größe der Besetzung mit. Stellvertretend sei Allegro ma non troppo für Schlagzeug und Zuspielband (1994/98) genannt. Das Werk entfaltet sich als unterhaltsames instrumentales Theater. Ironisch spielt Chin auf den Ritualcharakter von Perkussionsinstrumenten zumal der außereuropäischen Musik an und verbindet das zeremonielle Moment mit (westlichen) Alltagsgegenständen. Die Performance-Qualitäten des Solisten sind stark gefordert, scheinbar zufällige Aktionen präzise notiert. Objets trouvés wie Weingläser, Metallketten, Holzlöffel, Eieruhren und Abfalleimer werden als Geräuscherzeuger gleichwertig mit konventionellen Instrumenten wie Gongs, Pauke, Trommel und Becken eingesetzt.

Dazu tritt der Solist in Dialog mit dem kontinuierlich mitlaufenden Zuspielband, das Klänge von Seidenpapier, Uhren, Wassertropfen und Schlaginstrumenten liefert: Diese vielschichtig montierte und transformierte Tonbandarbeit wurde 1993/94 im elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin mithilfe des Schlagzeugers Kyungsoo Kim realisiert. Das Werk greift die seit der Nachkriegszeit so einflussreiche Kompositionstechnik der musique concrète auf, bei der Alltags- und Instrumentalgeräusche aufgenommen, montiert und verfremdet wurden. Chin war bestrebt, möglichst fließende Übergänge von einer Klangfarbe zur anderen zu schaffen. Der Live-Schlagzeuger und das Tonband verschmelzen zu ...