In den Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens stellte Elizabeth Shaw von Beginn an die Zeichnung. Während des Schulbesuches erhielt sie durch eine Lehrerin privaten Förderunterricht, um ihr zeichnerisches Talent auszubilden. Danach studierte sie an der Londoner Chelsea School of Art. Hier widmete sie sich besonders intensiv dem Aktzeichnen und dem Zeichnen von Gipsformen, um ihren Blick für Perspektiven und die Anatomie von Körpern zu schulen. Später konzentrierte sie sich auf die Ausbildung als Illustratorin. Besonderen Einfluss gewannen während des Studiums die Arbeiten des französischen Malers Amédée Ozenfant. Abzulesen ist das an der Einfachheit der Zeichnungen von Elizabeth Shaw, die ihre Figuren mit klaren, feinen Linien umreißt. Ihre Charaktere wirken auf den ersten Blick wie mühelos aufs Blatt gesetzt. Der zweite Blick offenbart, dass die Künstlerin Beobachtetes und Ersonnenes auf Wesentliches reduziert und pointiert darstellt. Das bestimmt ihr Œuvre.
Die Armut, die Elizabeth Shaw als Kind kennenlernte, hat sie lebenslang geprägt. Der Umzug nach Bedford in England war der Lebensnotwendigkeit der Eltern geschuldet, dort Arbeit zu finden und ihren Kindern eine gesicherte Zukunft zu bieten. Shaws spätere Entscheidung, gemeinsam mit ihrem Mann nach Deutschland zu gehen, begründet sich im Willen, am Aufbau eines gerechten Landes mitzuwirken. Mit kritischem Blick beobachtete sie den Alltag in der DDR; zahlreiche Karikaturen belegen das. Immer sympathisierte sie mit der sozialistischen Idee und dem Bemühen der Menschen, diese zu leben.
“Für den einzelnen, der sich in einem fremden Land niedergelassen hat, ist das Leben oft nicht leicht, aber das hat auch seine positiven Seiten. Man lernt, flexibel und tolerant zu sein und sich von den Fesseln der Nationalität mit ihren tiefverwurzelten Vorurteilen zu befreien, darin liegt das humanisierende Element” (Elizabeth Shaw, “Irish Berlin. Wie ich nach Berlin kam”. Berlin 1990, Umschlagtext).
Die ersten Veröffentlichungen waren ausschließlich Zeichnungen und Karikaturen, mit denen Elizabeth Shaw weltpolitische Entwicklungen kommentierte, insbesondere das Verhältnis der vier Besatzungsmächte und später das der beiden deutschen Staaten. Ihre linksliberale Haltung war geprägt durch die Idee und Hoffnung, menschenwürdige Lebensbedingungen für alle zu schaffen. In den 1950er Jahren arbeitete sie für die Zeitung “Neues Deutschland”. Der Arbeitsdruck der Tageszeitung erzwang schnelles Entscheiden und Zeichnen – Herausforderung und Schule gleichermaßen, wie sie es später wertete. Als die Redaktionsarbeit zunehmend unerfreulich und politisch engstirnig wurde, zog sich die Künstlerin zurück und begann freiberuflich für verschiedene Zeitschriften und Magazine und als Buchillustratorin zu arbeiten. Künstlerisch empfand sie diesen Schritt als bereichernd, weil sie nun mit Farbe arbeiten konnte. Hinzu kamen Porträtkarikaturen, Buchillustrationen und Reiseberichte.
Mit dem Auftrag des Aufbau Verlags, für eine Anthologie Schriftsteller zu zeichnen, begann die Porträtphase von Elizabeth Shaw. Griff die Künstlerin für die Karikatur oft auf Fotografien zurück, machte sie es sich nun zum Prinzip, von lebenden Schriftstellern Skizzen anzufertigen und die Porträts auf dieser Grundlage zu gestalten. Als Folge dieser Arbeiten gab die Deutsche Akademie der Künste zu Berlin (DDR) 1959 anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens eine Serie von Porträts mit allen ordentlichen Mitgliedern in Auftrag (vgl. Abb. 1–4). Shaw schuf 43 große Lithografien. Die Porträts wurden in der Öffentlichkeit und bei den Porträtierten selbst ein großer Erfolg. Der Künstlerin war es gelungen, das treffend auszudrücken, was das Wesen des Porträtierten ausmachte. Für Shaw selbst war die Begegnung mit Künstlern anderer Gattungen das eigentlich Reizvolle und Bleibende an dieser Arbeit. Nie wieder nahm sie später einen solchen Auftrag an.
Ihre Porträtphase war abgeschlossen. Sie widmete sich ab Ende der 1950er Jahre der Buchkunst, illustrierte zunächst, einer Bitte der Helene Weigel folgend, Gedichte von Bertolt Brecht; später folgten Zeichnungen zu Erzählungen von Friedrich Wolf, Mark Twain und James Krüss.
Ursprünglich hatte das Illustrieren von Kinderbüchern für die Irin ökonomische Gründe, da sie den Lebensunterhalt der Familie wesentlich mitbestritt. Sie widmete sich zunächst ausschließlich literarischen Texten anderer. 1963 erschien ihr erstes eigenes Kinderbuch “Der kleine Angsthase” (Abb. 5, 6). Das Buch wurde schnell ein Auflagenrenner. Dabei war der Verlag sehr skeptisch, denn die karikierende Illustration im Kinderbuch war neu, der große Anteil weißer Flächen ungewohnt. Die unverschachtelte Fabel und die klare Moral machten das Buch Kindern und Erwachsenen leicht zugänglich. Das Alltägliche, Allzumenschliche in der Tierwelt erfuhr durch Shaw eine heitere und zugleich leicht ironisierende Verfremdung. Der Text blieb zweitrangig, das Bild und die Bildfolge erzählten das Geschehen. Das wurde typisch für ihre Kinderbücher. In der Tradition von Wilhelm Busch schuf sie zeitgenössische Bildgeschichten – bildliche Erzählungen. Charaktere stellte die Künstlerin vornehmlich über das Zeichnerische, den Strich, Farbe setzte sie in der Illustration ein, um Wesentliches hervorzuheben. Meist nahm sie Vorschulkinder und Erstleser als Betrachter in den Blick, hatte wohl die eigenen Enkelkinder vor Augen und setzte deren Erlebnisse und Erfahrungen um. Ihre Entwicklung zur Autorin und Illustratorin gleichermaßen empfand Shaw als Möglichkeit, konzeptionell und künstlerisch konsequent zu arbeiten.
“Meist schrieb ich sehr moralische Geschichten, weil ich diesen missionarischen Eifer verspürte, der mich zur politischen Karikatur gebracht hat. Ich wollte ganz bestimmte Werte, wie Mut, Freundlichkeit und die Vorstellung vermitteln, dass man nicht nur für sich selbst lebt. Manche Leute sagen, mein Stil ist immer gleich. Habe ich erst mal einen überzeugenden Ansatz gefunden, gehen Text und Bild gut zusammen, bleibe ich dabei. Künstlerische Experimente finden auf anderen Gebieten statt” (“Irish Berlin”, S.161).
Monografien
Friedrich Wolf, “Tiergeschichten”. Berlin (Alfred Holz) 1951.
Mark Twain, “Kapitän Stormfields Besuch im Himmel”. Berlin (Aufbau) 1954 (Mark Twain Bibliothek).
Johann Fürchtegott Gellert, “Fabeln”. Berlin (Aufbau) 1956.
Stefania Grodzienska, “Der Gänsemarsch”. Berlin (Eulenspiegel) 1956.
James Krüss, “Spatzenlügen”. München (Georg Lentz) 1957.
Edith Anderson, “Hunde, Kinder und Raketen”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1958.
Bertolt Brecht, “Geschichten von Bertolt Brecht”. Berlin (Volk und Wissen) 1958.
Viktor Mira, “Das Mädchen Max und 10 x Fax”. Berlin (Alfred Holz) 1958.
Mark Twain, “Humoristische Erzählungen”. Berlin (Aufbau) 1958 (Mark Twain Bibliothek).
Konstantin Aleko, “Der Rosenölhändler”. Berlin (Aufbau) 1959.
Karl Heinz Berger, “Eine fröhliche Reise”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1959.
Mark Twain, “Durch Dick und Dünn”. Berlin (Aufbau) 1960.
Edith Anderson, “Großer und kleiner Felix”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1961.
Lothar Kusche, “Quer durch England in anderthalb Stunden”. Berlin (Aufbau) 1961.
Hans-Joachim Stein, “Reportage aus dem deutschen Jenseits”. Berlin (Eulenspiegel) 1961.
Hans-Joachim Stein, “Wallfahrt nach Walpurgisland”. Berlin (Eulenspiegel) 1961.
Mark Twain, “Die Arglosen im Ausland”. Berlin (Aufbau) 1961 (Mark Twain Bibliothek).
Mark Twain, “Leben auf dem Mississippi”. Berlin (Aufbau) 1962 (Mark Twain Bibliothek).
Mark Twain, “Tom Sawyers Abenteuer”. Berlin (Aufbau) 1962 (Mark Twain Bibliothek).
“Der kleine Angsthase”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1963.
Nikolai Nossow, “Freundchen und andere heitere Geschichten”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1963 (Die kleinen Trompeterbücher).
Mark Twain, “Der berühmte Springfrosch von Calaveras”. Berlin (Aufbau) 1963 (Mark Twain Bibliothek).
Mark Twain, “Huckleberry Finns Abenteuer”. Berlin (Aufbau) 1963 (Mark Twain Bibliothek).
Ursula und Jochen Wilke, “Helle im Tor”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1963.
“Gittis Tomatenpflanze”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1964.
Karl Heinz Berger, “Das Kutschpferd und der Ackergaul”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1964 (Die kleinen Trompeterbücher).
Erich Brehm, “Die erfrischende Trompete”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1964.
Mark Twain, “Reise um die Welt”. Berlin (Aufbau) 1964 (Mark Twain Bibliothek).
“Die Schildkröte hat Geburtstag”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1965.
“Skizzen eines Globetrotters”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1965.
Bertolt Brecht, “Ein Kinderbuch”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1965.
Erich Kästner, “Das Schwein beim Frisör”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1965 (Die kleinen Trompeterbücher).
Mark Twain, “Der Prinz und der Bettlerknabe”. Berlin (Aufbau) 1965 (Mark Twain Bibliothek).
Mark Twain, “Ein Yankee an König Artus' Hof”. Berlin (Aufbau) 1965 (Mark Twain Bibliothek).
Hans J. Rehfisch, “Lysistratas Hochzeit”. Berlin (Neues Leben) 1966.
Mark Twain, “Der geheimnisvolle Fremde”. Berlin (Aufbau) 1966 (Mark Twain Bibliothek).
“Wie Putzi einen Pokal gewann”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1967.
Margarete Hellendahl, “Ping pang poch” (Kinderverse aus England). Berlin (Kinderbuchverlag) 1967.
Jerome K. Jerome, “Drei Mann in einem Boot”. Berlin (Neues Leben) 1967 (Kompaß-Bücherei).
Mark Twain “König Leopolds Selbstgespräche”. Berlin (Aufbau) 1967 (Mark Twain Bibliothek).
Gerhard Holtz-Baumert, “Von lustigen Wichten zwölf kleine Geschichten”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1968.
Karl Marx, “Englischer Alltag”. Berlin (Dietz) 1968.
Walter K. Schweickert, “Der Mann, der Karate kannte”. Berlin (Eulenspiegel) 1968.
Paula Dehmel, “Von morgens bis abends”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1969.
Lothar Kusche, “Wie man einen Haushalt aushält”. Berlin (Eulenspiegel) 1969.
Mark Twain, “Autobiographische Schriften”. Berlin (Aufbau) 1969 (Mark Twain Bibliothek).
“Bella Belchaud und ihre Papageien”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1970.
Hans Fallada, “Der getreue Igel”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1970 (Die kleinen Trompeterbücher).
“Bettina bummelt”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1971 (abc – ich kann lesen).
Lothar Kusche, “Die Patientenfibel”. Berlin (Eulenspiegel) 1971.
Astrid Lindgren, “Lillebror und Karlsson vom Dach”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1971.
“Zilli, Billi und Willi”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1972.
Heinz Kahlau, “Schaumköpfe”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1972.
Lothar Kusche, “Neue Patientenfibel”. Berlin (Eulenspiegel) 1972.
“Das Bärenhaus”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1973.
“Eine Feder am Meeresstrand. Urlaubsskizzen aus vier Badeorten”. Berlin (Eulenspiegel) 1973.
Erich Kästner, “Poesiealbum”. Berlin (Neues Leben) 1973.
Lothar Kusche, “Der gerissene Film”. Berlin (Eulenspiegel) 1973.
Berta Waterstradt, “Alle Tage ist kein Alltag”. Berlin (Eulenspiegel) 1974.
“Als Robert verschwand”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1975 (abc – ich kann lesen).
Monika Dickens, “Das Haus am Ende der Welt”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1975.
Rainer Kirsch, “Es war ein Hahn”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1975.
Lothar Kusche, “Vorsicht an der Bahnsteigkante”. Berlin (Eulenspiegel) 1975.
“Guten Appetit”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1976.
Karl Heinz Berger, “John Bulls andere Inseln”. Leipzig (Insel) 1976.
Lothar Kusche, “Die fliegenden Elefanten”. Berlin (Eulenspiegel) 1977.
Michail Sostschenko, “Tintenfässer aus Brot”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1977.
Tilo Medeck, “Kindergartenliederbuch”. Frankfurt am Main (Edition Wilhelm Siewert Hansen) 1979.
Lothar Kusche, “Knoten im Taschentuch”. Berlin (Eulenspiegel) 1980.
“Die Schöne und das Ungeheuer”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1982.
Jürgen Rennert, “Wie der Elefant entstand”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1982.
Leo Spies, “Mein Liederbilderbuch”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1982.
“Das kleine Shaw-Buch”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1983.
“Spiegelbilder”. Berlin (Eulenspiegel) 1983.
Ernst Z. Ichenhäuser, “Erziehung zum guten Benehmen”. Berlin (Volk und Wissen) 1983.
Lothar Kusche, “Leute im Hinterkopf”. Berlin (Eulenspiegel) 1983.
Wilhelm Ludwig Wekhrlin, “Spielpfennige”. Berlin (Volk und Wissen) 1983.
“Der scheue Schneck”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1984 (Minibuch).
Mark Twain, “Bummel durch Europa”. Berlin (Aufbau) 1984 (Mark Twain Bibliothek).
Lothar Kusche, “Der Mann auf dem Kleiderschrank”. Berlin (Eulenspiegel) 1985.
Berta Waterstradt, “Blick zurück und wundre Dich”. Berlin (Eulenspiegel) 1985.
“Die fleißige Familie”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1986.
“Labyrinth im Mais”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1987.
“Lustige Elizabeth Shaw Geschichten”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1987.
Lothar Kusche, “Nasen, die man nicht vergißt”. Berlin (Eulenspiegel) 1987.
“Wildschwein Walter”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1988 (abc – ich kann lesen).
Mark Twain, “Das Leben auf dem Mississippi”. Berlin (Aufbau) 1988 (Mark Twain Bibliothek).
“Das kleine schwarze Schaf”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1989.
Lothar Kusche, “Der Opa hat 'n Schwein verschluckt”. Berlin (Eulenspiegel) 1989.
“David und die Kühe”. Berlin (Kinderbuchverlag) 1990.
“Irish Berlin. Wie ich nach Berlin kam”. Berlin (Aufbau) 1990.
“Das einsame Zicklein”. München (tabu) 1996.
“Miezekatz und Huckepuckel”. Leipzig (Leiv) 1997.
Lothar Kusche, “Aus dem Leben eines Scheintoten”. Berlin (Eulenspiegel) 1997.
Gabriele Stave, “Operation gelungen. Patient tot”. Berlin (Eulenspiegel) 1997.
Patrick Graetz (Hrsg.), “Das dicke Elizabeth Shaw Buch für die ganze Familie”. Berlin (Eulenspiegel) 1999.
“Die Landmaus und die Stadtmaus”. Berlin (Kinderbuchverlag) 2000.
“Spuren der Erinnerung”. Berlin (MCM Art) 2002.
Lothar Kusche, “Einsteigen bitte, dieser Zug endet hier!”. München (Heyne) 2002.
Beiträge
“Dein Gewicht entscheidet!”. Berlin (Kongreß) 1954.
Max Schröder, “Max Schröder zum Gedenken”. Berlin (Aufbau) 1958.
Horst Kunze, “Bibliophilie im Sozialismus”. Berlin (Pirckheimer Gesellschaft) 1969.
Gerhard Bodeit (Hrsg.), “Seit ich dich liebe”. Leipzig (Verlag für die Frau) 1977.
Leneliese Lax-Lavendel, “Von Katzen, Männern und anderen Umständen”. Berlin (Eulenspiegel) 2001.
Ralf Pierau, “Urlaub, Klappfix, Ferienscheck”. Berlin (Eulenspiegel) 2003.