Svante Pääbo
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Internationales Biographisches Archiv
Svante Pääbo wurde am 20. April 1955 in Stockholm als uneheliches Kind der Lebensmittelchemikerin Karin Pääbo († 2013) und des Nobelpreisträgers und Biochemikers
Nach dem Abitur leistete P. zunächst Wehrdienst und besuchte anschließend eine Dolmetscherschule. Danach begann P., der sich schon als Kind für Archäologie interessiert hatte, 1975 Ägyptologie, Russisch und Wissenschaftsgeschichte an der Universität Uppsala zu studieren, wechselte aber 1977 enttäuscht und auf Rat seines Vaters zur medizinischen Fakultät. 1980 brach er auch diese Ausbildung vorzeitig ab, um sich der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung zuzuwenden. Bis zur Promotion (1986 über das Thema Adenoviren) forschte und unterrichtete er an der Abteilung für Zellbiologie in Uppsala sowie am Roche Institut für Molekularbiologie in Nutley, N.J. (USA). Dort erlernte er die neuartige Methodik des PCR-Verfahrens, mit dem man kleinste Spuren Erbgut zu großen Mengen vermehren kann. P. wandte diese Methode an, um das Erbgut ausgestorbener Tiere, u. a. des australischen Moa und Beutelwolfs, zu untersuchen. Anschließend setzte P. seine Forschungen am Institut für Molekularbiologie II der Universität Zürich und am Imperial Cancer Research Fund in London fort. 1987 folgte er einer Einladung an die University of California (Abt. Biochemie) in Berkeley, wo er mit einem Forschungsstipendium für drei Jahre arbeitete. 1990 erlangte der 35-Jährige seine Habilitation in Medizinischer Genetik an der Universität Uppsala.
EinordnungMit seinen Forschungen gilt P. als einer der Begründer der Paläogenetik, einer Disziplin, die Methoden der Genetik verwendet, um frühe menschliche u. a. Populationen zu untersuchen und festzustellen, von welchen Lebewesen heutige Organismen abstammen. Mit dem Nobelpreis für Medizin ehrte ihn das Karolinska-Institut in Stockholm 2022 für seine Pionierleistungen zum Verständnis der Evolutionsgeschichte des modernen Menschen, insbesondere die Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms und die Entdeckung des Denisova-Menschen. Tiefe sachliche wie private Einblicke zu sich und seiner Forschung gab der von Kollegen als "begeisterungsfähig, geradezu euphorisch" (zit. n. TSP, 4.10.2022) beschriebene Wissenschaftler in der vielbeachteten semi-biographischen Veröffentlichung "Die Neandertaler und wir. Meine Suche nach den Urzeitgenen" (2014).
Akademische StationenSchon 1984 war es P. erstmals gelungen, aus 23 mumifizierten Leichen aus der ägyptologischen Sammlung in Uppsala und dem Pergamonmuseum im damaligen Ost-Berlin kurze Abschnitte des Erbmaterials DNA zu isolieren und zu untersuchen. Im gleichen Jahr veröffentlichte er die Ergebnisse in der Zeitschrift "Das Altertum" der Akademie der Wissenschaften der DDR, fand aber keine Beachtung. Erst als sein Bericht über diese Arbeiten es 1985 auf die Titelseite des britischen Fachjournals "Nature" schaffte, wurde er schlagartig berühmt.
Nach seiner Habilitation (1990) wurde er noch im gleichen Jahr als Professor für Allgemeine Biologie und Zoologie an die Ludwig-Maximilians-Universität München berufen. Dort setzte er bis 1998 seine Forschungen, u. a. an Mammuts und Höhlenbären, fort. In dieser Zeit wurde er auch in die Untersuchung der "Ötzi" genannten Gletscherleiche einbezogen. 1997 wurden P. und drei seiner Mitarbeiter eingeladen, ein neues "Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie" in Leipzig aufzubauen. P. übernahm als einer von fünf Direktoren die Leitung der Abteilung für Evolutionäre Genetik, die hauptsächlich der Frage nachging, welche genetischen Veränderungen bzw. Mechanismen in der Evolutionsgeschichte die Entwicklung des modernen Menschen ausmachten. Zudem lehrte er seit 1999 als Honorarprofessor für Genetik und Evolutionsbiologie an der Universität Leipzig. 2003 bis 2015 hatte P. außerdem eine Gastprofessur für Vergleichende Genetik an der Universität Uppsala inne, ab 2020 übernahm er am Okinawa Institute of Science and Technology in Japan zusätzlich eine außerplanmäßige Professur.
Entschlüsselung des Neandertaler-GenomsMitte der 1990er Jahre begann ein amerikanisch-deutsches Team unter P.s Leitung mit der Untersuchung des Erbmaterials von Neandertalern und dessen Vergleich mit der DNA von modernen Menschen, Schimpansen und Gorillas. Erste Ergebnisse deuteten darauf hin, dass sich die Neandertaler – wie die modernen Menschen – aus einer kleinen Anzahl von Individuen entwickelten und eine geringe genetische Bandbreite aufwiesen. Außerdem wurde durch die Forschungen die "Out-of-Africa-Theorie" untermauert, wonach der moderne Mensch sich in Afrika entwickelte, dann über Asien und Europa weltweit ausbreitete und das Aussterben der Neandertalerrasse bewirkte, ohne sich zuvor mit dieser wesentlich zu vermischen.
Die Forschergruppe um P. war hauptsächlich an der Frage interessiert, was Menschen von anderen Primaten unterscheidet, obwohl sie bspw. mit Schimpansen über 98 % gemeinsame Gene verfügen. Im Aug. 2002 veröffentlichte P. in "Science" sein Forschungsergebnis, wonach winzige Mutationen beim "Sprachgen" FOXP2 verantwortlich für die verschiedene Sprachentwicklung von Mensch, Schimpanse, aber auch Neandertaler waren, die in der Folge für dominante Vorteile z. B. bei der Jagd sorgten. 2004 gab P. neue Erkenntnisse bekannt, nach denen für den Unterschied zwischen Mensch und Primaten sowie Neandertalern entscheidend sei, in welchem Maße Gene in verschiedenen Regionen des Gehirns zu bestimmten Zeiten aktiviert werden. Damit konnte er die wichtige Rolle herausheben, die das Gehirn in der spezifisch menschlichen Entwicklung gespielt hat. Noch heute findet sich nach Angaben der Forscher in Menschen, die außerhalb Afrikas geboren wurden, ca. zwei Prozent Neandertaler-DNA, demgegenüber unterscheidet sich Menschen- und Neandertaler-DNA an 30.000 bis 40.000 Stellen.
2006 gelang es P. und seinem Team erstmals, mithilfe einer neuen Methode Zellkern-DNA aus Neandertalerproben zu entnehmen (bis dahin war die häufiger vorhandene und leichter zu isolierende Mitochondrien-DNA verwendet worden). Im Nov. des Jahres wurde die Analyse von einer Mio. DNA-Einheiten des Neandertalers in "Nature" veröffentlicht – zeitgleich mit den in "Science" publizierten Ergebnissen eines kalifornischen Teams um Edward Rubin. Beide Gruppen waren sich einig, dass Neandertaler und moderne Menschen in 99,5 % ihrer DNA übereinstimmen und damit die engste genetische Beziehung aufweisen. 2010 gelang P. und seinem Team die wissenschaftliche Sensation, erstmals eine Version des Genoms der Neandertaler aus Knochen zu rekonstruieren, was sie im Fachjournal "Science" als eine Art "Rohfassung des Neandertaler-Erbguts" beschrieben (Hbg. Abl., 7.9.2018). 2014 hatten sie das Genom fast vollständig entschlüsselt.
Entdeckung des Denisova-Menschen und weitere LeistungenIm Jahr 2010 war P. Mitautor einer Studie, in der nachgewiesen wurde, dass im sibirischen Altai-Gebirge neben Homo sapiens und Neandertaler noch eine dritte, dorthin eingewanderte Population der Gattung Homo lebte, der sog. Denisova-Mensch. 2018 gab P. in der Zeitschrift "Nature" bekannt, dass ihm und seinem Team die Sequenzierung eines Genoms des Knochen-Fossils Denisova 11 aus der Denisova-Höhle gelungen sei, ein Kind einer Neandertaler-Mutter und eines Denisova-Vaters (TA, 23.9.2017).
Weitere Studien P.s umfassten die Gewinnung und Untersuchung von Erbgut aus menschlichen Fossilien, das bis zu einer Million Jahre alt ist (vgl. u. a. deutschlandfunk.de, 30.8.2018). Dazu nutzen die Forschenden u. a. die Genschere Crispr/CAS9, mit der sie Gensequenzen vom Neandertaler entnehmen, sie in menschliche Stammzellen einfügen und diese "ein paar Zehntausend Jahre zurückversetzen", so P. (TA, 23.9.2017). Während die Welt ab 2020 von der pandemischen Ausbreitung des neuartigem Coronavirus Sars-Cov-2 erfasst wurde, fand das Team um P. auch heraus, dass bestimmte vom Neandertaler stammende Genvariationen beim modernen Menschen die Wahrscheinlichkeit eines schweren COVID-19-Krankheitsverlaufs erhöhen können (vgl. Sepktrum.de, 14.4.2021), andere wiederum auch schützende Eigenschaften beigetragen haben (vgl. TSP, 4.10.2022). Die bedeutendste der zahlreichen Auszeichnungen, die P. im Lauf seiner Wissenschaftskarriere erhalten hat, wurde ihm 2022 in Form des Nobelpreises für Medizin oder Physiologie zugesprochen.
P. lebt mit seiner Frau, der amerikanischen Primatenforscherin Linda Vigilant, und den gemeinsamen zwei Kindern in Leipzig. Er gilt als begeisterter Wanderer und Bergsteiger.
Veröffentlichungen: "Neanderthal Man: In Search of Lost Genomes" (14; dt. "Die Neandertaler und wir. Meine Suche nach den Urzeit-Genen"); zahlreiche Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften sowie Kapitel in Fachbüchern.
Auszeichnungen (u. a.): Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis (92), Max-Delbrück-Medaille (Berlin, 98), Carus-Medaille und -Preis (Halle/Schweinfurt, 99), Rudbeck-Preis (Uppsala 00), Wissenschaftspreis (Leipzig, 03), Ernst-Schering-Preis (Berlin, 03), Louis-Jeantet-Preis für Medizin (Genf, 05), Virchow-Medaille (Würzburg, 05), Aufnahme in den Orden "Pour le mérite für Wissenschaften und Künste" (08), Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (09), Darwin-Plakette der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (09), Kistler Prize (09), DGKL-Preis für Biochemische Analytik (11), Gruber-Preis für Genetik (13), Lomonossow-Goldmedaille (14), Breakthrough Prize in Life Sciences (16), Keio Medical Science Prize (16), Dan-David-Preis (17), HFSP Nakasone Award (18), Prinzessin-von-Asturien-Preis (18), Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft (18), Nierenberg Prize (18), Wiley Prize in Biomedical Sciences (19), Darwin-Wallace-Medaille (19); Japan-Preis (20), Massry-Preis (21), Nobelpreis für Medizin oder Physiologie (22).
Ehrendoktor der Universitäten Zürich (94) Helsinki (00), Yale (20).
Mitgliedschaften (u. a.): Academia Europaea (98), Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (99), Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften, Stockholm (00), Kuratorium "Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer" (01-05), Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle (02), Finnish Society of Sciences and Letters, Helsinki (02), Sächsische Akademie der Wissenschaften, Leipzig (03), National Academy of Sciences, Washington D.C. (04), Mitglied American Academy of Arts and Sciences (11), Mitglied Académie des sciences (15), Auswärtiges Mitglied der Royal Society (16), Honorary Research Fellow, Natural History Museum London (16), Ehrenmitglied der New York Academy of Science (17), Auswärtiges Mitglied der estnischen Akademie der Wissenschaften (19).
c/o Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, Abt. für Evolutionäre Genetik, Deutscher Platz 6, 04103 Leipzig, Tel.: 0341 3550500, Fax: 0341 3550555, E-Mail: paabo@eva.mpg.de, Internet: www.eva.mpg.de