* 3. November 1955
von Graciela Paraskevaídis
Essay
Am 9. Mai 1980 fand an der Universidad Mayor de San Andrés in La Paz, Bolivien, das Eröffnungskonzert des neu gegründeten Orquesta de Instrumentos Nativos San Andrés (OINSA) statt. Als letztes Stück auf dem Programm stand La ciudad, komponiert und dirigiert von Cergio Prudencio. Fast niemand ahnte damals, dass an jenem Abend ein neues Kapitel in der lateinamerikanischen Musik geschrieben wurde, denn zum ersten Mal spielte ein Ensemble auf indigenen Instrumenten nicht nur traditionelle Musik aus dem Hochland der Anden, sondern auch neu komponierte Musik. Diese neue Musik war in der Art des Atmens und Spielens, der Artikulation und Gestik, in der eigenartigen mikrotonalen Temperierung und zeremoniellen Zeitgestaltung unmittelbar bezogen auf die uralte Instrumentalpraxis der Aymaras. Das Konzert stand am Beginn eines umfangreichen, langfristig angelegten Projekts, das an der Universidad Mayor de San Andrés von César Junaro, Daniel Limache sowie den Brüdern José Luis und Cergio Prudencio stufenweise entwickelt und durchgeführt werden sollte. »Stellen wir uns multikulturelle und mehrsprachige Musiker vor, die von nun an ihre eigenen Arten zu musizieren erfinden. Stellen wir uns aktive, kreative und geschickte Musiker vor, die verschiedene Instrumente spielen und in dieser Verschiedenheit im Gegensatz stehen zu ...