* 7. Mai 1979
von Egbert Hiller
Essay
Als sich Žuraj 2009 entschied, in seinen Werken algorithmische Verfahren anzuwenden, geschah dies nicht aufgrund eines Mangels an Intuition, im Gegenteil. Das Gefühl, »aus dem Bauch« heraus zu musizieren, begleitete den slowenischen Komponisten seit seiner Kindheit und auch während seines Studiums an der Musikakademie Ljubljana. Erst als er zur Fortsetzung seiner Studien nach Dresden und später nach Karlsruhe und Frankfurt kam, begann er, musikalische Strukturen eingehend zu erforschen und daraus Konsequenzen für sein eigenes Schaffen zu ziehen. Vor allem im Unterricht bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe ging es weniger um Kompositionstechnik als um grundsätzliche ästhetische Fragestellungen: »Wer bin ich? Was will ich? Welche Richtung möchte ich einschlagen?«
Mithilfe einer speziellen Software einen »Notationsassistenten« zu entwickeln, der zwar keine seriellen Vorprägungen formuliert, wohl aber rhythmische, harmonische und melodische Eingaben als Materialgrundlage oder in live-elektronischen Prozessen weiterverarbeitet, scheint einem intuitiven Ansatz, vordergründig betrachtet, diametral gegenüberzustehen. Žuraj ist jedoch darum bestrebt, Intuition und Konstruktion miteinander zu verknüpfen. Um das klangsinnliche Potenzial seiner kompositorischen Einfälle bis in feinste Ausdifferenzierungen hinein auszuloten, unterwirft er sie auf dem Seziertisch analytischer Betrachtung eingehenden Reflexionen in alle Richtungen, wobei für ihn auch die Mikrotonalität eine maßgebliche Rolle spielt. Dass ...