Die überaus erfolgreiche Karriere des US-amerikanischen Kletterers Steve House war durch zwei entscheidende Wendepunkte unterbrochen. Der im Alpinstil kletternde House, der auf seinen Touren nicht die bekannten Pfade ging, sondern immer auf der Suche nach neuen Routen war, schaffte gemeinsam mit seinem Partner Vince Anderson 2005 die Durchsteigung der Rupal-Wand des Nanga Parbat. Die mit über 4.000 m hohe Felswand gilt als eine der höchsten, gefährlichsten und steilsten Wände der Welt. Nach diesem Erfolg, der ihn über die Kletterszene hinaus bekannt machte, fiel House erstmals in seiner Laufbahn in ein Motivationsloch, schaffte aber die Rückkehr. 2010 stürzte der inzwischen als Redner bei zahlreichen Vorträgen gefragte Kletterer bei einer Tour 25 m tief und zog sich schwere Verletzungen zu.
Laufbahn
Zum Klettern kam Steve House über seinen Vater, der in den 1960er Jahren in Europa Erfahrungen gesammelt hatte. Zu Highschoolzeiten nahm er in einem Verein namens "Cliffhangers" an Kletter- und Skitouren teil. Nach Abschluss der Highschool trat er 1988 während eines Austauschaufenthalts in Slowenien (damals noch Jugoslawien) einem lokalen Kletterverein bei und kletterte nach eigenen Angaben 180 Tage während seines Austauschjahrs. Dabei profitierte er von professionellen Trainern. Ebenfalls mit einer slowenischen Expedition reiste House kurz darauf erstmals in den Himalaya. Um an der Nanga-Parbat-Exkursion teilnehmen zu dürfen, hatte er bei der Altersangabe geschummelt und sich zwei Jahre älter gemacht. Zwar litt er am Basislager unter extremer Höhenkrankheit und durfte nur Gepäck ins Lager schleppen, doch begann dort seine Faszination für den 8.125 m hohen Berg. Gleichzeitig missfiel House die "Vermüllung des Bergs" mit Seilen und Haken durch die großen Expeditionen.
Zurück in den USA absolvierte Steve House eine Ausbildung zum Bergführer. 1992 erhielt er das Zertifikat als Bergführer der American Mountain Guide Association und 1999 - als siebter Amerikaner überhaupt - das IFMGA-Zertifikat der International Federation of Mountain Guide Associations, das ihn zum international anerkannten Bergführer machte. Eigene Klettertouren führten ihn in den 1990er Jahren v. a. nach Kanada und Alaska, u. a. mehrfach als Guide auf den 6.194 m hohen Denali in Alaska, auf dem er auch in Soloexpeditionen neue Routen erkundete. 2000 gelang ihm in 60 Stunden eine Begehung der sogenannten Slowakischen Direkt-Route am Mount McKinley in Alaska, die zuvor nur zweimal zurückgelegt worden war. Im Folgejahr schaffte er die "Infinite Spur" am Südhang des Mount Foraker und bestieg den Cho-Oyu im Himalaya-Gebirge und 2002 erkundete er eine neue Route am Süd-Südwesthang am 7.800 m hohen Nuptse in Nepal, erreichte aber den Gipfel nicht.
2003 stand Steve House als Erster auf dem Gipfel des knapp 6.000 m hohen Hajji Brakk in Pakistan, den er über eine neue Route in einer 19-stündigen Solotour erreichte. Seine Sehnsucht allerdings galt zu diesem Zeitpunkt zwei Bergen, dem K7 in Pakistan und dem Nanga Parbat in Nepal. Dank finanzieller Einnahmen aus Sponsorenverträgen und Vorträgen konnte sich House inzwischen intensiver dem Training widmen. Am 6.942 m hohen K7 startete er 2003 und 2004 mehrere Versuche, eine neue Route durch die Süd-Südwestwand zu erkunden. Nachdem die ersten Touren wegen falscher Routenwahl, witterungsbedingt oder wegen einsetzender Dunkelheit abgebrochen werden mussten, schaffte er schließlich 2004 die erste Solodurchquerung. Bei den verschiedenen Versuchen hatte House getreu seiner Maxime "Je einfacher man die Dinge gestaltet, desto bereichernder ist das Erlebnis" (www.stevehouse.net) seine Ausrüstung immer weiter reduziert. Mit seinen Erstbesteigungen abseits der Hauptrouten gelegener Berge hatte House "die Szene immer wieder in Erstaunen" versetzt, "auch wenn sie an einer breiten Öffentlichkeit vorbeigingen" (FAS, 7.11.2010).
Steve House gilt als Verfechter des Alpinismus und lehnt große Expeditionen ab, die Haken und Seile in den Wänden fixieren und zurücklassen. Er klettert ohne Fixseile, Träger oder Sauerstoff, sondern nur mit der Ausrüstung, die er auf dem Rücken tragen kann. Seine Herangehensweise wurde auch als "die schlichteste und schwierigste Art, einen Berg zu besteigen" bezeichnet (FAS, 7.11.2010). Berühmtheit in der Klettererszene erlangte er mit der gemeinsam mit Vince Anderson 2005 realisierten Durchsteigung der Rupal-Wand am Nanga Parbat, einer 4.500 m hohen Steilwand, die auch als "so ziemlich das Schwerste und Gefährlichste, was sich ein Bergsteiger antun kann", bezeichnet wurde (FOCUS, 11.2.2010). Für die Expedition benötigten House und Anderson acht Tage. Für ihre Leistung, die als "die vielleicht unfassbarste Leistung der vergangenen zehn Jahre" in die Geschichte einging (SPIEGEL online, 25.11.2009), wurden sie mit dem Preis Piolet d'Or für die beste alpinistische Leistung des Jahres geehrt.
Nach Erreichen dieses großen Ziels fiel Steve House allerdings in ein Motivationsloch. "Als ich dieses Ziel erreicht hatte, hatte ich auf einmal kein Ziel mehr", erklärte er (SPIEGEL online, 25.11.2009). Neue Touren wie die Besteigung des Kunyang Shish im August 2006 musste er kurz vor dem Gipfel abbrechen. 2007 erreichte er nach insgesamt sieben Versuchen in elf Jahren über eine neue Kletterroute durch die Emperor Face den Mount Robson in den kanadischen Rockie Mountains. Drei Anläufe, den Mount Makalu (8.462 m) über die Westroute zu besteigen, scheiterten 2008 bis 2011. Dass er nach seiner Nanga-Parbat-Expedition inzwischen weltweit bekannt war, bewiesen seine ausverkauften Vortragstouren, bei denen er auch sein 2009 erschienenes Buch "Jenseits des Berges" vorstellte. Reinhold Messner lobte den jüngeren Kollegen als "den besten Höhenbergsteiger unserer Zeit" (FAS, 7.11.2010). Im Vorwort zu Houses Buch schrieb er: "Er begeht die richtigen Routen an oft unbekannten Bergen, auch wenn alle Welt auf den Everest rennt. Oft hat man noch gar nichts gehört von den Gipfeln, die er besteigt."
Zu einer Wende im Leben von Steve House kam es am 28. März 2010. Bei einer Tour auf den Mount Temple, einen 3.547 m hohen Berg in den kanadischen Rockies, die er gemeinsam mit Bruce Miller übernahm, stürzte er am Vorstieg ab und fiel 25 m in die Tiefe. Dort blieb er mit schwersten Verletzungen liegen, konnte aber glücklicherweise per Hubschrauber abtransportiert werden. Mit zwei Beckenbrüchen, zahlreichen Rippenbrüchen und einer kollabierten Lunge lag er mehrere Wochen im Krankenhaus. Nach mehrmonatiger Physiotherapie startete er verängstigt erste Kletterversuche. "Alles was mein Leben bisher ausmachte, schien auf einmal verloren zu sein", erklärte er im Rückblick auf diese schwere Zeit (FAS, 7.11.2010). House beschloss, einige Dinge in seinem Leben zu ändern, trennte sich von seiner Partnerin, zog von Oregon nach Colorado und fand durch eine neue Beziehung neuen Lebensmut. Er arbeitete weiterhin als Bergführer und Trainer und fasste bald neue Ziele ins Auge, etwa die Besteigung des K2 über die Westwand.
Persönliches
Steve House wuchs im US-Bundesstaat Washington auf und verbrachte in seiner Kindheit viel Zeit in der Natur mit Angeln, Wandern und Skifahren. Er hat eine jüngere Schwester. Nach der Highschool und einem Austauschjahr in Slowenien besuchte er das Evergreen State College und machte dort 1995 seinen Bachelor of Science in Ökologie. Houses erste Ehe mit einer Collegeliebe zerbrach nach neun Jahren 2004. Von seiner neuen Lebensgefährtin trennte er sich im Zuge seiner Lebensumstellung nach seinem schweren Sturz 2010. In der Kärntnerin Eva fand er eine neue Frau fürs Leben, die er 2011 heiratete. House, der Slowenisch und etwas Deutsch spricht, lebt in der Nähe von Ridgway im US-Bundesstaat Colorado. Auf seiner Homepage www.stevehouse.net bezeichnet er sich selbst als Alpinist, Ehemann, Bergführer, Autor und Coach. House gründete 2004 die Baltistan Education Foundation, die die pakistanische Region Baltistan mit finanzieller Hilfe und Bildungsangeboten unterstützt. Gemeinsam mit seiner Frau Eva rief er 2012 das Programm "Alpine Mentors" ins Leben, das junge Alpinisten fördert und ausbildet.
Adresse
P.O. Box 9, Ridgway, CO 81432, U.S.A., Internet: www.stevehouse.net
Karriere in Zahlen
Erfolge
Wichtige Begehungen
2000 |
Slowakische Direkt-Route am Mt McKinley, (VI, 5.9, WI6, M5, 2.950 m hoch) (schnellste und dritte Begehung) |
2001 |
"The Infinite Spur" am Mt Foraker (5.9 WI4) |
2002 |
Nuptse, neue Route an der Süd-Südwestwand, bis auf 7.200 m |
2003 |
Neue Route 5.9, 65° am Hajji Brakk, Erstbesteigung / The Talkeetna Standard AI5 5.9 am Ruth Glacier, Erstbesteigung |
2004 |
Südwestwand am K7, neue Route (VI, 5.10a, M6, A2, 80° steiles Eis, 2.400 m), Erstbegehung |
2005 |
Kapura Peak, neue Route, 5.8, M5, 90°, Erstbesteigung / The Anderson-House-Route, M5 X, 5.9, WI4, 4.100 m hoch), Rupal-Wand am Nanga Parbat / Italian Route am Taulliraju, erste freie Besteigung / Cayesh, neue Route durch die Westwand, 5.10, M7+ |
2007 |
K7 West, neue Route durch zum Westgipfel, Erstbesteigung / House-Haley-Route am Emperor Face des Mt Robson, (WI5 M7, 1.750 m hoch) |
2008 |
Mt Alberta, neue Anderson-House-Route in der Nordflanke (WI5+, M8, 1.000 m Wandhöhe) |