MUNZINGER Wissen, das zählt | Zurück zur Startseite
Wissen, das zählt.


MUNZINGER Personen

Arthur Scargill

britischer Gewerkschafter; Präsident der National Union of Mineworkers (NUM) (1981-2002)
Geburtstag: 11. Januar 1938 Worsborough
Nation: Großbritannien

Internationales Biographisches Archiv 34/1996 vom 12. August 1996 (mi)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 31/2002


Blick in die Presse

Herkunft

Arthur Scargill wurde am 11. Jan. 1938 in Worsborough (Yorkshire) geboren. Sein Vater war Bergmann schon in der dritten Generation.

Ausbildung

Nach Abschluß der White Cross Secondary School in Worsborough arbeitete S. zunächst in einer Fabrik.

Wirken

1955 begann in der in Yorkshire gelegenen Woolley-Zeche für ihn eine insgesamt 15jährige Zeit als Bergarbeiter unter Tage. Im gleichen Jahr schloß sich der damals 17jährige der Young Communist League (YCL) an und wurde Mitglied der in jener Zeit noch mächtigen Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM). Zwei Jahre später bereits hatte er bei den Jungkommunisten derart an Renommee gewonnen, daß ihm bei einem Besuch in Moskau sogar die Ehre eines Empfangs bei KPdSU-Chef Nikita Chruschtschow zuteil wurde. Bald jedoch ging er auf Distanz zur noch immer fast unbeirrbar moskautreuen KP, verließ, sich weiter als Marxist begreifend, 1962 die YCL und wurde 1966 Mitglied der Labour Party, die im gleichen Jahr erneut die Unterhauswahlen gewann und mit Harold Wilson den Premierminister stellte.

Nachdem S. 1960 Mitglied des NUM-Ortsausschusses und vier Jahre später Delegierter des NUM-Gebietsrates (Area Council) in Yorkshire geworden war, setzte ein kometenhafter Aufstieg ein, der ihn binnen weniger Jahre zu einem der mächtigsten Männer innerhalb der Labour Party und in der britischen Innenpolitik generell werden ließ. 1972 gelang ihm der Sprung in den Nationalen Exekutivrat der Bergarbeitergewerkschaft, nachdem er während des Streiks der Kumpel in Yorkshire, dem größten Kohlerevier Englands, durch seine Strategie der "fliegenden Streikposten" über die Grenzen der Grafschaft hinaus bekannt geworden war und sich jenen Rückhalt verschafft hatte, der ihm ein Jahr später zum Vorsitz der Gewerkschaft in ganz Yorkshire verhalf. Im Dez. 1981 stand "King Coal", wie S. inzwischen genannt wurde, ganz oben, als er mit mehr als 70 Prozent der Delegiertenstimmen zum Präsidenten "for life" der damals über 200.000 Mitglieder umfassenden NUM gewählt wurde und Joe Gormley, der eher dem rechten Labour-Flügel zuzuordnen war, ablöste. Kompromißlos, versprach S., werde er für die Interessen der Bergarbeiter einstehen und dafür kämpfen, daß der Niedergang der britischen Gewerkschaften gestoppt wird. Als er im April 1982 sein Amt antrat, standen seine Ziele fest: Der Sturz der seit Mai 1979 regierenden konservativen Regierung unter Margaret Thatcher und - auf längere Sicht - ein "sozialistisches Großbritannien".

1984 wurde für S. zum Jahr einer katastrophalen Niederlage. Als das staatliche National Coal Board (NCB) sich anschickte, 20 Gruben zu schließen, führte er - trotz gegenteiliger Ergebnisse zweier zuvor durchgeführter Urabstimmungen - die NUM in den längsten Streik der britischen Nachkriegsgeschichte und in eine historische Konfrontation mit der "Eisernen Lady", die keinen Zollbreit nachgab. Der von März 1984 bis März 1985 dauernde Arbeitskampf endete - nach blutigen Auseinandersetzungen zwischen Streikposten und der Polizei ("Schlacht von Orgreave"), bei denen zwei Bergarbeiter starben und über 80, darunter S. selbst, verletzt wurden - schließlich mit der bedingungslosen Kapitulation der Kumpel, von denen sich mehr als die Hälfte zuvor bereit erklärt hatte, wieder in die Gruben einzufahren. Die Macht des Thatcherismus war gefestigt, die Ohnmacht der Labour Party, die durch die Abspaltung der Social Democratic Party (SDP), durch Wahlniederlagen und infolge des Führungswechsels von Michael Foot zum moderaten Neil Kinnock ohnehin geschwächt war, für Jahre festgeschrieben. Zu den besonders fatalen Konsequenzen für S. gehörte jedoch die Spaltung seiner eigenen Gewerkschaft. Gegner des Streiks in den East Midlands und in South Wales gründeten die Union of Democratic Mineworkers (UDM), die freilich ohne große Bedeutung blieb. Nicht zuletzt war es auch S., der der Thatcher-Regierung die letzten Hemmungen nahm, mit dem Trade Union Act 1984 zum entscheidenden Schlag gegen die Gewerkschaften auszuholen und u. a. erhebliche Einschnitte in das Streikrecht durchzusetzen. Der 1988 Employment Act setzte diese Linie fort, löste etwa weitgehend das System der "Closed shops" auf, baute aber auch die Rechte der gewerkschaftlichen Basismitglieder etwa hinsichtlich der Wahl der Führungsgremien weiter aus. Obwohl "auf Lebenszeit" gewählt und ohne durch die Satzung hierzu gezwungen zu sein, stellte S., seit 1985 auch Präsident der International Miners Organization, sich Anfang 1988 der Wahl als NUM-Präsident, wurde aber erwartungsgemäß in seinem Amt bestätigt. Im gleichen Jahr schied er aus dem Generalrat des britischen Gewerkschaftsdachverbandes Trades Union Congress (TUC), dem er seit 1986 angehört hatte, wieder aus. Zu dieser Zeit war die Zahl der Mitglieder seiner Gewerkschaft auf knapp 91.000 gesunken, d. h., sie hatte sich innerhalb weniger Jahre halbiert.

Nachdem S. schon mit Kinnocks gemäßigtem Kurs seine Probleme hatte, brachten ihn die vom neuen Labour-Chef Tony Blair durchgesetzte Neuorientierung zur bürgerlichen Mitte, dessen Pakt mit dem "Teufel des Kapitalismus" sowie der eigene deutliche Machtverlust unter Blair, der den traditionell starken Einfluß der Unions auf die Labour Party begrenzte, zunehmend in Harnisch. Zwar konnte er auf dem Labour-Parteitag im Okt. 1994 noch einmal verhindern, daß das seit 1918 im Parteistatut verankerte Ziel der Vergesellschaftung der Produktionsmittel aufgegeben wurde, doch auf dem Sonderparteitag Ende April 1995 in London stimmten schließlich 65 Prozent der Delegierten für das zuvor vom Vorstand mit großer Mehrheit gebilligte neue Parteiprogramm, das Abschied vom Streben nach Dominanz der "Common Ownership" nahm und der einschlägigen "Clause IV" in der Satzung den Garaus machte. S. hatte sich erfolglos dagegen zur Wehr gesetzt. Einst eine Symbolfigur der Parteilinken, sah er sich nunmehr in die Rolle eines Sektierers gedrängt, während bereits Stimmen laut wurden, man solle mit ihm so verfahren wie mit den in den achtziger Jahren ausgeschlossenen Trotzkisten.

Daß S. kampflos klein beigeben würde, glaubte niemand, doch schenkte man seiner Drohung, eine eigene Partei zu gründen, lange Zeit keinen Glauben. Im Dez. 1995 aber lag ein fertiges Statut der neuen Socialist Labour Party (SLP) vor, deren Gründung S. am 13. Jan. 1996 im Londoner Great Northern Hotel für den 11. Mai 1996 bekanntgab. Er wolle, so "King Arthur", zum "wahren Sozialismus" zurückkehren, und seine Partei werde "rot" sein, "roter (gehe) es nicht". "Wir treten ein", versicherte der Gewerkschaftsboß, dessen NUM 1995 nur gerade noch 18.332 Mitglieder umfaßte, "für kostenlose Gesundheitsversorgung, für eine Gesellschaft, in der Arbeitslosigkeit verbannt sein wird und in der es keine Obdachlosigkeit mehr geben wird."

Beobachter werteten die SLP gleich zu Beginn als politische Totgeburt. Um in allen Wahlkreisen Kandidaten aufzustellen, fehlten ihr die Mittel. Ein erster Probelauf bei Nachwahlen am 1. Febr. 1996 zeigte, daß S. selbst in Hemsworth in Yorkshire, einer traditionellen Bergbaulandschaft mit zugeschütteten Zechen und vor sich hin gammelnden Fördertürmen, nichts mehr gilt: Mit 5,4 Prozent der Stimmen landete die SLP mit S.s Frau Anne als Kandidatin auf dem vierten Platz und damit selbst noch hinter den verhaßten Konservativen, die ihrerseits einen weiteren vernichtenden Schlag durch Labour (72 Prozent) hinnehmen mußten. S., der auf mindestens 5.000 Mitglieder hofft, tröste sich, hieß es, damit, daß auch der Sozialist Keir Hardie hundert Jahre zuvor seine erste Wahl verlor und anschließend eine Massenpartei formte. Hardie, Sekretär der schottischen Bergarbeitergewerkschaft, rief 1888 in Glasgow die Scottish Labour Party als eine der Vorläuferinnen der Independent Labour Party (ILP) ins Leben.

Labour-Chef Blair verhielt sich angesichts S.s Parteigründung auffällig zurückhaltend. Ohne diesen, so war zu hören, werde es ihm noch leichter gelingen, "New Labour" als durch und durch moderate Partei zu präsentieren, ohne ein Wegbrechen des verbliebenen linken Flügels befürchten zu müssen.

31. Juli 2002: Arthur Scargill tritt von seinem Amt als Präsident der National Union of Mineworkers (NUM) zurück. Scargill stand 21 Jahre lang an der Spitze der Gewerkschaft.

Familie

S. ist seit 1961 mit Anne Harper verheiratet und hat eine Tochter.

Adresse

c/o Socialist Labour Party, P.O. Box 706, Barnsley, S70 9LE, Großbritannien, Tel.: +44 1226 212951, E-Mail: info@socialist-labour-party.org.uk



Die Biographie von Marin Sorescu ist nur eine von über 40.000, die in unseren biographischen Datenbanken Personen, Sport und Pop verfügbar sind. Wöchentlich bringen wir neue Porträts, publizieren redaktionell überarbeitete Texte und aktualisieren darüberhinaus Hunderte von Biographien.
Unsere Datenbanken sind unverzichtbare Recherchequelle für Journalisten und Publizisten, wertvolle Informationsquelle für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, Grundausstattung für jede Bibliothek und unerschöpfliche Fundgrube für jeden, der mit den Zeitläuften und ihren Protagonisten Schritt halten will.



Lucene - Search engine library