Fritz Cremer
Geburtstag: |
|
Todestag: |
|
Nation: |
|
Geburtstag: |
|
Todestag: |
|
Nation: |
|
Internationales Biographisches Archiv
Fritz Cremer war der Sohn eines westfälischen Handwerkers und wuchs früh als Waise auf.
In Essen erlernte er von 1922 bis 1925 den Beruf des Steinmetzen und arbeitete danach zwei Jahre als Steinbildhauer-Gehilfe. 1926 schloß er sich in Essen der kommunistischen Arbeiterjugend an und wurde 1929 Mitglied der Kommunistischen Partei. Er bildete sich in Abendkursen an der Folkwang-Schule in Essen weiter, bis er 1929 mit einem Stipendium der Stadt Essen an die Kunstakademie Berlin übersiedelte. Hier kam der begabte C. in die Meisterklasse von Wilhelm Gerstel. In Berlin beteiligte er sich an der Gründung des "Roten Studentenbundes" und protestierte 1933 gegen den Ausschluß von Käthe Kollwitz und Heinrich Mann aus der Akademie. Studienreisen führten ihn in den 30er Jahren nach Frankreich, England und Italien.
1936 geriet er wegen seiner Bronzeskulptur "Trauernde Frauen", besser bekannt unter dem Titel "Gestapo", die zeigt, wie "sich ein Kind in den Rockfalten seiner Mutter vor der faschistischen Barbarei zu verbergen versucht", in Gefahr. 1937, ein halbes Jahr später, wurde das Werk jedoch mit dem preußischen Staatspreis ausgezeichnet, und 1938 richtete ihm die Preußische Akademie der Künste ein Meisteratelier ein. Der Vorgang zeigt, daß auch der Faschismus kein monolithischer Block war und ein kommunistischer Künstler mit einiger Versteck- und Verstellist nicht nur überleben konnte. Dabei hatte C. über seine erste Frau, die Tänzerin Hanna Berger, Kontakt zur Widerstandsgruppe "Rote Kapelle". Sie wurde 1942 von der Gestapo verhaftet.
Im Sept. 1940 wurde C. zur Wehrmacht einberufen. 1942 wurde er mit dem Rom-Preis ausgezeichnet und für einen Studienaufenthalt in Rom längere Zeit vom Kriegsdienst beurlaubt. Danach stand er erneut an der Front. 1944 geriet er in jugoslawische Gefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wurde. Im Okt. 1946 wurde C. Professor und Leiter der Bildhauerabteilung an der Akademie für angewandte Kunst in Wien. 1950 übersiedelte er in die DDR. In Ostberlin wurde er im Okt. Mitglied der Akademie der Künste und Leiter eines Meisterateliers. Die gespannte Atmosphäre in der Stadt verhinderte seine Anerkennung in Westberlin, wo 1951 nicht nur eine Ausstellung geschlossen wurde, sondern auch dem Galeristen die Gewerbeerlaubnis entzogen wurde.
C., lange Zeit wohl bedeutendster Bildhauer der DDR, hat in der Nachfolge von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz einen symbolisierenden Realismus entwickelt, der besonders in seinen Monumentaldenkmälern für die Opfer des Faschismus in Auschwitz, Mauthausen und Wien (47/48), in Buchenwald (52-58) und in Ravensbrück (59) zum Ausdruck kam. Auch seine Plastiken "Aufsteigender" (66/67; im Park des UNO-Hauptquartiers in New York) und "O Deutschland, bleiche Mutter" sind markante Beispiele seiner Kunst. Bedeutende Arbeiten späterer Zeit sind sein "Gekreuzigter" ("Genug gekreuzigt!") und sein Standbild des "Galilei" (Stadthalle Chemnitz). Mit der Figur Christi hat sich C. immer wieder beschäftigt.
Neben seinen bildhauerischen Werken entstand ein künstlerisch selbständiges lithographisches Werk, das 1955 mit den beiden Fassungen zu Bertolt Brechts Gedicht "O Falladah, die du hangest" einsetzte und bereits ein Jahr später mit "Ungarn-Visionen" einen Höhepunkt erreichte. Nach einem Wort des Schriftstellers Stephan Hermlin ist C.s Werk von der "Noblesse des Plebejischen" gekennzeichnet, durch "Züge des Leidens, des Verletztseins, der Revolte". In der DDR wurden Retrospektiven seiner Werke u. a. 1972 und 1976 in der Akademie der Künste gezeigt. Seine erste große Ausstellung im Westen fand 1980 in Duisburg statt, nachdem er bereits 1977 auf der 6. documenta in Kassel vertreten war.
Obwohl überzeugter Kommunist, Mitglied der SED und eine Art Aushängeschild der DDR hatte der mit Auszeichnungen bedachte C. als Künstler auch Probleme mit der Partei und den Kunst- und Kulturfunktionären. So mußte er nach einer vernichtenden Kritik durch Wilhelm Girnus im "Neuen Deutschland" (2.7.52) die Entwürfe für das Mahnmal in Buchenwald mehrfach umarbeiten, weil die Figurengruppe der die Freiheit erkämpfenden Gefangenen zu wenig siegesbewußt und optimistisch sei. Im Nov. 1976 gehörte C. zu den Unterzeichnern der Protestresolution von zwölf DDR-Schriftstellern gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, zog aber kurz darauf seine Unterschrift wieder zurück. Bereits 1971 hatte er in der Kopenhagener KP-Zeitung u. a geschrieben: "Es ist ein Fehler unserer Kunstpolitik in der DDR, daß man den Menschen vorschreiben will, was sie denken sollen."
Mit dem Ende der DDR 1989 wurde es stiller um C., der in seinem Atelier am Pariser Platz bis zum Tode tätig blieb und im April/Mai 1993 eine letzte Ausstellung seiner Arbeiten unter dem Titel "Künstler im Widerstand" in der "europäischen Kulturstadt" des Jahres 1993, Antwerpen" erlebte.
Im hohen Alter von beinahe 87 Jahren ist C. am 1. Sept. 1993 in Berlin gestorben. In den Nachrufen überwog trotz der Regimenähe der Respekt vor einer eigenwilligen und sich treu bleibenden Künstlerpersönlichkeit und einem gültig bleibenden Werk.
Auszeichnungen der DDR-Zeit: National-Preise der DDR (53, 58, 72), Kunstpreis des FDGB (61), Vaterländischer Verdienstorden in Gold (65), J. R.-Becher-Medaille in Gold (68), Karl-Marx-Orden (74), Held der Arbeit (76).
C. war seit 1967 Ehrenmitglied der Akademie der Künste der UdSSR, seit 1973 Korrespondierendes Mitglied der Academia nazionale di San Luca Roma und seit 1974 Vizepräsident der Akademie der Künste der DDR.