Nicolas Sarkozy
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Internationales Biographisches Archiv
Nicolas Paul Stéphane Sarkozy (eigentl. Sarközy) de Nagy-Bocsa wurde am 28. Jan. 1955 als zweiter von drei Söhnen eines ungarischen Aristokraten und Emigranten in Paris geboren. Sein Vater Pàl Sarközy de Nagy-Bocsa (1928-2023) war 1944 nach dem Einmarsch der Roten Armee in Ungarn und der Beschlagnahmung des Familiengutes über Österreich nach Deutschland geflohen. Hier ließ er sich in Baden-Baden von der französischen Fremdenlegion anwerben. Nach Abschluss seiner Rekrutenzeit in Algerien und in Anbetracht eines drohenden Einsatzes in Indochina kündigte er jedoch seinen Fünfjahresvertrag. Er kam 1948 nach Marseille und lernte schließlich 1949 in Paris S.s Mutter Andrée Mallah (1925-2017) kennen. S.s Vater war in der Werbebranche und als Publizist tätig und galt als ein eher unzuverlässiger Lebemann (vgl. SZ, 4.5.2007). Er verließ die Familie 1959 und ging in die USA, wo er noch dreimal heiratete. Später kehrte er nach Paris zurück und begann mit 76 Jahren eine Karriere als Maler.
S.s Mutter nahm nach der Scheidung ein Jurastudium auf und wurde Rechtsanwältin. Sie war die Tochter eines jüdisch-griechischen Arztes, der einer der wenigen Überlebenden der Jüdischen Gemeinde von Saloniki und zum Katholizismus konvertiert war. Großvater Benoît Mallah wurde quasi zum Ersatzvater S.s und prägte als überzeugter Gaullist früh das politische Bewusstsein des Enkels. S.s älterer Bruder Guillaume (geb. 1951) machte in der Textilwirtschaft Karriere und war bis 2006 stellv. Vorsitzender des Unternehmerverbandes MEDEF. Neben seinen beiden leiblichen Brüdern hat S. noch einen 15 Jahre jüngeren Halbbruder (Olivier; Investmentbanker in den USA).
S. besuchte die katholische Privatschule Saint-Louis. Nach dem knapp bestandenen baccalauréat (1973) studierte er Rechtswissenschaften an der juristischen Fakultät der Universität Paris-Nanterre (Maîtrise in Privatrecht 1978) und absolvierte anschließend (1979-1981) das Institut d'études politiques (IEP). Als einer der wenigen französischen Spitzenpolitiker besuchte S. nicht die Eliteschule ENA. 1981 erwarb er das Zertifikat für die Zulassung als Anwalt.
S. war 1981-1982 an der Rechtsfakultät der Universität Nanterre tätig, begann aber gleichzeitig, als freier Anwalt zu arbeiten.
Karriere im RPR, Bürgermeister von Neuilly-sur-SeinePolitisch hatte sich S. noch vor seinem 20. Geburtstag dem neogaullistischen Rassemblement pour la République (RPR) angeschlossen und sich bei dem Präsidentschaftswahlkampf 1974 für
Auf lokalpolitischer Ebene war S. seit 1977 als Stadtrat des Pariser Vorortes Neuilly-sur-Seine tätig. 1983 wurde er dort jüngster Bürgermeister Frankreichs (bis 2002). 1993 war er als Stadtvater mit der Geiselnahme in einem Kindergarten konfrontiert, die er durch persönliche Gespräche mit dem Täter unblutig beenden konnte. Von 1983 bis 1988 war er zudem Mitglied im Regionalrat von Île-de-France und 1985-1988 Vizepräsident des Generalrats Hauts-de-Seine.
Erste Erfahrungen mit der Regierungsarbeit machte S. 1987 im Innenministerium als Referent für chemische und radiologische Risikobekämpfung. 1988 zog er, der seine politische Karriere nach dem Motto "Ich erwarte nicht, dass man mir etwas gibt, ich nehme es mir" (zit. nach FAZ, 24.5.1993) gestaltete, erstmals für den Wahlkreis Hauts-de-Seine in die Nationalversammlung ein.
Erste Ministererfahrung unter Premier BalladurNach dem Sieg des RPR und der Union pour la Démocratie Française (UDF) bei den Parlamentswahlen wurde S. im März 1993 als Haushaltsminister und Regierungssprecher in die neu gebildete Regierung unter
RPR-InterimsvorsitzenderInnerhalb des RPR arbeitete sich S. beständig nach oben. Bereits 1990 war er zum stellv. Generalsekretär ernannt worden, seit 1995 war er Mitglied des Politischen Büros des RPR. Nach der Niederlage bei den Wahlen 1997 übernahm S. das Amt des Parteisprechers in der RPR, die aufgrund wachsender Misserfolge höchst zerstritten war, im Febr. 1998 wurde er Generalsekretär. Die Querelen wurden auch durch den überraschenden Rücktritt von Parteichef
Innenminister im Kabinett RaffarinBei den Präsidentschaftswahlen im April/Mai 2002 kam es zu einem überraschenden Ausscheiden von Premier Jospin bereits in der ersten Wahlrunde. Nachdem sich Chirac in der zweiten Runde gegen
UMP-GründungFür die Wahlen wurde eine liberal-konservative Sammlungsbewegung Union pour la majorité présidentielle (UMP) etabliert, der sich auch S. anschloss. In der UMP wurden neben dem RPR die Démocratie Libérale (DL) und Teile der UDF zusammengefasst. Bei den Parlamentswahlen holte sich die UMP mit 356 von 577 Sitzen die absolute Mehrheit. S. wurde im Juni 2002 erneut als Minister für Inneres, innere Sicherheit und die Freiheiten der Gebietskörperschaften vereidigt. Das UMP-Wahlbündnis wurde im Nov. 2002 nach dem Auflösungsbeschluss des RPR in eine Partei umgewandelt, die Union pour un Mouvement Populaire (UMP).
S. profilierte sich fortan mit dem schon den Wahlkampf dominierenden Thema der Sicherheitspolitik. Mit seiner "amerikanisch inspirierten Null-Toleranz-Politik" (ZEIT, 1.4.2004), die auf massive Polizeipräsenz setzte, sorgte er für eine Senkung der Kriminalitätsrate; illegale Einwanderer ließ er schnell abschieben. Im Febr. 2003 verabschiedete das Parlament S.s umstrittene Sicherheitsgesetze, mit denen die Polizei neue Vollmachten erhielt. Andererseits schuf er den ersten landesweiten Rat der Muslime.
"Superminister" für Wirtschaft und FinanzenNach der Niederlage des Regierungslagers bei den Regionalwahlen im März 2004 und dem Triumph der Sozialisten unter
S. sollte in seinem neuen Amt v. a. für die Fortsetzung des wirtschaftsliberalen Reformkurses Sorge tragen und die lahmende Konjunktur auf Touren bringen. Doch angesichts des hohen Staatsdefizites, das unter seinem Vorgänger
UMP-Parteichef, Konflikt mit ChiracIm Nov. 2004 gewann S. den Vorsitz der Regierungspartei UMP. Bei der Urwahl für die Nachfolge des Chirac-Vertrauten Alain Juppé, der nach seiner Verurteilung wegen Korruption (Jan. 2004) im Juli zurückgetreten war, erhielt er 85,1 % der Stimmen. Am 28. Nov. ließ sich S. bei einem Kongress im Pariser Vorort Le Bourget - von 40.000 Anhängern wie ein Politstar gefeiert - "krönen" (vgl. FAZ, 30.11.2004). Sein Ministeramt musste S. auf Druck Chiracs aufgeben, doch hatte dieser mit der Wahl seines parteiinternen Rivalen an die UMP-Spitze seine Machtbasis praktisch verloren.
Der Konfrontationskurs S.s gegenüber seinem einstigen Mentor Chirac manifestierte sich in seiner Ablehnung eines EU-Beitrittes der Türkei, die er nicht zu Europa zählte (S. favorisierte stattdessen eine "priviligierte Partnerschaft") und dem Referendum über die EU-Verfassung, das S. gegen den Widerstand Chiracs innerhalb der UMP durchsetzte. Das "Nein" der Franzosen (54,9 %) bei der Abstimmung am 29. Mai 2005 bedeutete für Chirac und Premier Jean-Pierre Raffarin eine schwere politische Niederlage, von der S. letztlich profitierte.
Rückkehr des Hardliners ins InnenressortRaffarin trat darauf zurück und unter dessen Nachfolger
Seinen Ruf als Hardliner in der Sicherheits- und Ausländerpolitik sahen Kritiker während dreiwöchiger gewalttätiger Unruhen in Trabantenstädten im Herbst 2005 bestätigt. Nach dem Tod zweier Jugendlicher, die im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois vor der Polizei geflüchtet waren, kam es ab Ende Oktober in den überwiegend von Migrantenfamilien bewohnten Vorortvierteln zu schweren Ausschreitungen, die sich trotz massiver Polizeieinsätze auch auf andere französische Städte und Kommunen ausweiteten. Während Kabinett und Parlament den Ausnahmezustand und Ausgangssperren beschlossen, heizte S. die Stimmung zusätzlich an, als er provokativ erklärte, er werde die betroffenen Banlieues mit dem Hochdruckreiniger ("Kärcher") vom "Gesindel säubern". S. habe damit die Rolle des "Scharfmachers" in der Regierung übernommen, um Wähler der Rechtsextremen in das eigene politische Lager zurückzuführen (vgl. taz, 5./6.11.2005). Seine harte Haltung brachte dem manchmal spöttisch als "Superbullen" bezeichneten S. indes bei einer Mehrheit der Bevölkerung einen Popularitätsanstieg ein. Für illegale Einwanderer und Ausländer, die sich nicht assimilierten, gebe es "keinen Platz in Frankreich", lautete S.s Credo. Dem entsprechend setzte S. im Juni 2006 in der Nationalversammlung eine Verschärfung des Einwanderungsrechtes durch, womit u. a. die bisherige Regelung einer automatischen Einbürgerung nach zehn Jahren Aufenthalt in Frankreich abgeschafft wurde.
UMP-PräsidentschaftskandidatAls politisches Fernziel hatte der ambitionierte und machtbewusste "Sarko", wie S. auch genannt wurde, bereits Ende 2003 Ansprüche auf das Präsidentenamt im Jahr 2007 angemeldet. Im April 2006 verkündete S.s Rivale, Premier
Wahl zum StaatspräsidentenBei der Präsidentschaftswahl am 22. April 2007 war S. vor der in der eigenen Partei umstrittenen Sozialistin
Während sich der polarisierende S. in seiner Siegesrede als Versöhner präsentierte, der über alle Meinungsunterschiede hinweg "Präsident aller Franzosen" sein wolle, kam es zwischen militanten Gegnern S.s und der Polizei nach dessen Erfolg zu teilweise heftigen, gewaltsamen Auseinandersetzungen in Paris und anderen Städten. In Kommentaren der konservativen französischen Medien und bei Wirtschaftsverbänden wurde das Wahlergebnis als klares Votum für eine tiefgreifende Reform des Landes bewertet. S. hatte im Wahlkampf einen "Bruch" mit der bisherigen Politik versprochen - für die er als Nummer zwei der Regierung durchaus Mitverantwortung getragen hatte - und sich als "Mann der Erneuerung" präsentiert. S. übernahm die Amtsgeschäfte von
Regierungsbildung, Öffnung nach linksAm 18. Mai folgte die Bildung einer Übergangsregierung, die von S.s engstem politischen Berater, dem fr. Sozial- und Erziehungsminister
Bei der Parlamentswahl erlitt die regierende rechtsbürgerliche UMP überraschend einen Dämpfer. Sie konnte zwar mit 313 von 577 Mandaten (39,5 % und 46,4 % der Stimmen im 1. bzw. 2. Wahlgang) ihre absolute Mehrheit aus dem Jahr 2002 verteidigen, verlor dabei jedoch 46 Sitze. Die Sozialisten (PS) erreichten 186 Sitze (24,7 % bzw. 42,3 %). Im 2. Kabinett Fillon (19.6.2007) war S. zu einer größeren Umbildung gezwungen, als ursprünglich vorgesehen. Für den stellv. Premier und Umweltminister
EU-Reformvertrag, Wirtschafts- und EurokriseDas Gewicht der französisch-deutschen Beziehungen betonte S. schon wenige Stunden nach dem Einzug in den Elysée-Palast mit seinem Antrittsbesuch in Berlin bei Bundeskanzlerin
Daneben stand die französische EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 ganz im Zeichen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Mit seinem Krisenmanagement auf europäischer Ebene konnte S. sein "Image als Macher" (NZZ, 17.12.2008) stärken. Auf nationaler Ebene ließ S. im Nov. 2008 einen mit 6 Mrd. Euro ausgestatteten Staatsfonds für strategische Investitionen (FSI) einrichten, der besonders innovative Klein- und Mittelbetriebe unterstützen sollte. Zudem brachte die Regierung im Dez. 2008 ein Konjunkturprogramm im Volumen von 26 Mrd. Euro auf den Weg. Milliardenschwere Staatshilfen zur Stabilisierung der französischen Automobilindustrie wurden von EU-Wettbewerbskommissarin
Vor dem Hintergrund des Beinahe-Bankrotts Griechenlands sowie unter dem massiven Druck internationaler Finanzspekulationen gegen die Gemeinschaftswährung war Frankreich mit S. im Mai 2010 gegen zunächst zögerliche Partner maßgeblich an der Durchsetzung eines Schutzschirmes für die Euro-Zone (European Financial Stability Facility; EFSF) im Umfang von 750 Mrd. Euro beteiligt. Beim EU-Gipfel in Brüssel einigten sich die Staats- und Regierungschefs im Dez. 2010 dann auf einen dauerhaften Krisenmechanismus für finanziell angeschlagene Staaten des Euro-Raums.
Innenpolitische Entwicklung
Verfassungs- und RentenreformAls ersten Erfolg verzeichnete S. die im Juli 2008 vom Parlament mit der notwendigen 3/5-Mehrheit verabschiedete Verfassungsreform. Damit wurden u. a. die Amtszeit des Präsidenten auf insgesamt zehn Jahre (zwei Amtszeiten) beschränkt sowie die Befugnisse des Parlaments erweitert.
Ein Schlüsselprojekt S.s stellte die lange geplante Rentenreform dar, mit der er im März 2010 als neuen Arbeitsminister
Migrations- und SicherheitspolitikDazu setzten S. und sein Innenminister
Nicht zur Umsetzung gelangte die im Sept. 2009 beschlossene nationale Klimasteuer (CO2-Abgabe) für Haushalte und Unternehmen. Das Vorhaben wurde im Dez. 2009 vom Verfassungsrat gestoppt, der in der Gesetzesvorlage zu viele Ausnahmen für große Umweltsünder monierte. Im März 2010 kippte S. die Steuer mit Verweis auf eine europäische Regelung endgültig.
Bettencourt-Affäre, Vernetzung mit WirtschaftsgrößenUnter Druck geriet S. im Sommer 2010 in der sog. Bettencourt-Affäre. Mit Minister Woerth, zugleich verantwortlicher UMP-Schatzmeister, wurde dem Präsidenten vorgeworfen, von der Milliardärin und L'Oréal-Erbin
Regelmäßig für Schlagzeilen sorgte auch das Beziehungsnetzwerk S.s zu weiteren Konzernchefs und Unternehmern. Zu seinen persönlichen Freunden zählten etwa
Präsident in der Defensive, KabinettsneubildungInsgesamt galt S.s Reformbilanz vor dem Hintergrund seiner Wahlversprechen 2007, aber auch der Weltwirtschaftskrise, nach Beobachtermeinung als bescheiden. Bei den Regionalwahlen im März 2010 erhielt die UMP die Quittung für S.s zunehmend kritisierte, affärengeplagte Politik: In allen 26 Regionen mit Ausnahme des Elsass und von Réunion siegte die Linksopposition, die in der Stichwahl insgesamt 54,3 % der Stimmen erhielt (UMP 36,1 %). S.s Umfragewerte waren auf nur noch 30 % gesunken ("Sarko im Sinkflug"; NZZ, 25.9.2010). Dem wachsenden Unmut in den eigenen Reihen suchte S. nach der UMP-Niederlage mit einer Regierungsumbildung zu begegnen, bei der er Kritiker seiner Öffnungspolitik gegenüber der Linken einband. Im Nov. 2010 folgte eine komplette Neubildung des Kabinettes unter Premier Fillon. U. a. mussten dabei die Zentristen
Außenbeziehungen
China-, Indien- und Russland-PolitikIm Verhältnis zur VR China knüpfte S. an die Politik Chiracs an. Im Rahmen seines ersten Staatsbesuchs im Nov. 2007 schloss S. mit seinem Amtskollegen
Übereinkünfte über eine Zusammenarbeit in der Atomtechnologie und im Rüstungsbereich erzielte S. bei Indien-Besuchen im Febr. 2006 und Dez. 2010. Dabei wurde ein rd. 7 Mrd. Euro umfassender Rahmenvertrag über den Bau zweier Atomkraftwerke durch den Areva-Konzern in Indien auf den Weg gebracht.
Eine Annäherung suchte S. trotz Konfliktpunkten (z. B. iran. Atomprogramm, Unabhängigkeit des Kosovo, US-Raketenabwehrpläne) im bilateralen Verhältnis zu Russland. Einen Moskau-Besuch S.s im Okt. 2007 erwiderte der russische Präsident
Verhältnis zu USA und Großbritannien, Teilrückkehr in die NATODie unter der Vorgängerregierung stark belasteten Beziehungen zu den USA entspannten sich unter S. wieder. Bei einem Besuch bei US-Präsident
Ebenso bot S. Großbritannien bei einem Staatsbesuch im März 2008 nach einer Phase bilateraler Spannungen unter Chirac eine neue französisch-britische Partnerschaft an. Seinen Antrittsbesuch in Frankreich absolvierte im Mai 2010 der neue britische Premier
Sicherheitspolitisch verwirklichte S. im April 2009 gegen Widerstand aus den Reihen der Sozialisten und der UDF nach mehr als drei Jahrzehnten Frankreichs Rückkehr in die NATO-Militärintegration (wie USA und Großbritannien allerdings ohne seine Nuklearstreitkräfte). Das gleichzeitig abgehaltene Gipfeltreffen zum 60-jährigen Bestehen der NATO fand dabei in deutsch-französischer Kooperation in Baden-Baden und Straßburg statt.
Afrika-PolitikIm Febr. 2008 kündigte S. in einer Rede vor dem südafrikanischen Parlament eine Reform der französischen Militärpolitik in Afrika an. Sämtliche (bekannten und geheimen) Verteidigungsabkommen, die Frankreich als "Gendarm Afrikas" mit ehemaligen Kolonien auf dem Kontinent verbanden, sollten dabei neu verhandelt und transparent gestaltet werden. Die Rolle als Ordnungsmacht stehe der Afrikanischen Union (AU) zu. Frankreich hatte zu diesem Zeitpunkt rund 9.000 Soldaten in Senegal, Gabun, Côte d'Ivoire, Tschad, der Zentralafrikanischen Republik und Dschibuti stationiert. In den Beziehungen zu Ruanda, die 2006-2009 unterbrochen waren, räumte S. bei einem Besuch im Rahmen einer Afrika-Reise im Febr. 2010 "Fehler" im Zusammenhang mit dem Genozid von 1994 ein. Der sogenannte Mucyo-Bericht (2008) hatte dem damaligen Außenminister Juppé und anderen französischen Entscheidungsträgern eine Mitschuld am Völkermord vorgeworfen. Zu einem Gegenbesuch empfing S. im Sept. 2011 seinen ruandischen Amtskollegen
Einen neuen Verteidigungspakt unterzeichnete S. im Jan. 2012 in Paris mit dem ivorischen Präsidenten
In der Maghreb-Region machte S. Werbung für sein Prestigeprojekt einer "Mittelmeerunion", die im Juli 2008 in Paris begründet wurde. Dieser schlossen sich mit den EU-Staaten, den Mittelmeeranrainern Nordafrikas (außer Libyen) und des Nahen Ostens (einschl. Israel) insgesamt 43 Länder an.
Anlässlich einer Rundreise durch die Golfstaaten unterzeichnete S. im Jan. 2008 in Riad mit dem saudischen König
Paris und der "Arabische Frühling"Enge Beziehungen pflegte Frankreich als ehemalige Kolonialmacht seit jeher zu Tunesien und dem autoritär-diktatorischen Regime von Staatspräsident
Vom sog. "Arabischen Frühling" wurden 2011 nach Tunesien auch Ägypten und Libyen erfasst. Während in Kairo Staatschef
Einflussnahme bei Vergabe von Fußball-WM 2022Eine mitentscheidende Rolle spielte S. nach Kritikermeinung Ende 2010 im Vergabeverfahren der Fußball-WM 2022 an den Wüstenstaat Katar durch den FIFA-Weltverband. Der Zuschlag für Katar war international höchst umstritten, u. a. wegen Korruptionsvorwürfen gegen etliche Funktionäre und - späteren - Berichten über massive Missstände und Menschenrechtsverletzungen auf den Baustellen der WM-Stadien. Im Vorfeld der Entscheidung hatte S. im Nov. 2010 den damaligen französischen UEFA-Päsidenten
Rolle des Kapitalismuskritikers; Kritik und BilanzVor dem Hintergrund der schwersten Rezession seit Jahrzehnten sprach S. mehrfach von einer notwendigen "Moralisierung des Kapitalismus". Beim G-20-Gipfel in Pittsburgh im Sept. 2009 sowie im Jan. 2010 beim Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) forderte S. ein weltweites Umdenken hin zu einem qualitativen Wirtschaftswachstum als Maß des Wohlstandes. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) müsse bei der Messung wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts ergänzt werden um die Indikatoren Umwelt, Sozialleistungen und Lebensqualität. Entsprechende Empfehlungen sprach zuvor eine auf Initiative von S. 2008 eingerichtete Kommission unter Leitung des US-Wirtschaftsexperten und Nobelpreiträgers
Im Jahr 2011 präsidierte S. die G-8- sowie die G-20-Staatengruppe der wichtigsten Industrie- bzw. Schwellenländer (vereinen insgesamt rd. 85 % der weltweiten Wirtschaftsleistung). Bei den Gipfeltreffen im Mai und Nov. 2011 war Frankreich Gastgeber. Auf S.s Agenda stand hier ein äußert ambitioniertes Programm, das u. a. eine Reform des Weltwährungssystems sowie staatliche Eingriffe zur Eindämmung der Spekulation auf den Rohstoff- und Agrarmärkten einschloss. Ohne eine Regulierung der Nahrungsmittelpreise steige die Gefahr von sozialen Unruhen in armen Ländern, so S. Dazu machte er sich für eine Finanztransaktionssteuer stark. Bereits im Mai 2010 hatte S. nach der "Attacke auf den Euro" eine "Generalmobilmachung" gegen Spekulanten verkündet.
S.s Wandel von einem "Freund der Bosse" (s. o.) zum "Kapitalismuskritiker mit grüner, sozialer und interventionistischer Ader" (TA, 27.1.2010) erschien vielen Beobachtern allerdings als wenig glaubwürdig und vornehmlich seinem Profilierungsdrang geschuldet ("Inszeniert sich unaufhörlich neu"; FR, 28.10.2010). Seine Entscheidungen würden "einer Mischung aus tagesaktuellen Reflexen, politischem Instinkt und Marktforschung" entspringen, hieß es in der WELT (12.10.2010). S. posiere "als Retter des Euro, Libyens und der Elfenbeinküste" - doch seine Landsleute "liebten S. immer weniger" (BILANZ, 10.11.2011, FAZ, 21.10.2011, SZ, 28.12.2011).
Neben der Euro-Krise inklusive Griechenland-Rettung machten Frankreich auch unter dem neuen Ressortchef
Niederlage gegen Hollande und SozialistenMitte Febr. 2012 erklärte S. offiziell seine Kandidatur für die Präsidentenwahl und eröffnete damit die heiße Phase des Wahlkampfs, in dem der Sozialist
Innerhalb der UMP war es bereits im März 2011 nach der Niederlage bei den Departementswahlen zu heftigen Auseinandersetzungen über den Umgang mit der politischen Rechten gekommen. Während Premier Fillon und andere Minister für eine klare Orientierung der Partei auf die politische Mitte plädierten, setzte S. im Präsidentschaftswahlkampf - letztlich ohne Erfolg - darauf, dem FN durch eine Debatte über Islam und nationale Identität Wähler abzuwerben. Letztlich hinterließ S.s umstrittener Rechtskurs eine tief gespaltene UMP.
UMP/LR-Parteichef - Rückzug aus der PolitikNach seiner Niederlage kehrte S. 2014 in das politische Geschäft zurück: So kandidierte er im Nov. 2014 nach dem Rücktritt seines Nachfolgers an der UMP-Spitze,
Mit dem großen Ziel einer Rückkehr in den Élysée trat S. im Nov. 2016 bei den erstmals abgehaltenen offenen LR-Vorwahlen für die französische Präsidentschaft 2017 an, landete dabei aber mit 20,6 % der Stimmen nur auf dem dritten Platz hinter seinen Rivalen, den Ex-Premiers
StrafverfahrenS. selbst geriet unterdessen fast dauerhaft ins Visier der Justiz, die etliche Ermittlungsverfahren gegen ihn einleitete (SZ, 14.3.2014: "Die sechs Affären Sarkozys"). Dabei ging es u. a. um mutmaßliche, illegale Millionspenden des libyschen Diktators Gaddafi für S.s Wahlkampf 2007. Nachdem S. im März 2018 in der Sache vorübergehend festgenommen worden war (vgl. u. a. WELT, 21.3.2018: "Gaddafis langer Schatten"), erhob die französische Finanzstaatsanwaltschaft nach jahrelangen Ermittlungen im Mai 2023 Anklage gegen S. und zwölf seiner Vertrauten (wg. Veruntreuung öffentlicher Gelder, Bestechlichkeit, sowie illegaler Wahlkampffinanzierung). Zu den Mitangeklagten gehörten u. a. S.s damaliger Budgetminister
Ebenfalls im Mai 2023 bestätigte ein Berufungsgericht eine erste Verurteilung S.s vom März 2021 wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme auf die Justiz zu drei Jahren auf Bewährung (darunter ein Jahr mit elektronischer Fußfessel). Konkret ging es in dem Verfahren darum, dass S. 2014 über seinen langjährigen Anwalt Thierry Herzog versucht haben soll, an Ermittlungsgeheimnisse und vertrauliche Informationen des Generalanwalts beim Kassationshof in einer anderen Affäre zu gelangen. S.s Verteidigerin kündigte eine erneute Revision an, wie schon in einem weiteren Strafverfahren, in dem S. im Sept. 2021 wegen illegaler Wahlkampffinanzierung im Jahr 2012 verurteilt worden war. Während S. sämtliche Anschuldigungen zurückwies ("Verleumdung"), blieb seine Partei zerstritten darüber, wie sie mit dem Erbe des Ex-Präsidenten umgehen sollte (vgl. SZ, 2.3.2021: "Wo Sarko, da Chaos"; FAZ, 1.10.2021: "Solidarität mit Sarkozy; derstandard.at, 5.12.2022, "Sarko Corleone": Sarkozy auf der Anklagebank")
Umstritten waren im Aug. 2023 Äußerungen S.s in einem Interview des "Figaro" zum Krieg Russlands gegen die Ukraine. Er meinte dabei u. a., die Ukraine solle als "Brücke zwischen dem Westen und dem Osten neutral" bleiben und nicht der EU beitreten, um nicht Putins "Anti-West-Paranoia" Vorschub zu leisten. Andererseits forderte er "extrem starke Sicherheitsgarantien", um das Land vor den Risiken eines weiteren Angriffs zu schützen. Gleichzeitig wurde über Ermittlungen zu Beraterverträgen und geschäftlichen Kontakten S.s nach Russland berichtet (vgl. TA, 19.8.2023).
Der nur 1,65 m große S. hat zwei Kinder (Pierre und Jean; geb. 1985/1987) aus erster Ehe (1982-1996) mit der Korsin Marie-Dominique Culioli. Im Okt. 1996 heiratete er in zweiter Ehe Cécilia Ciganer-Albéniz (geb. 1957), mit der er bereits seit 1988 zusammengelebt hatte. Die Unternehmer
Eine neue Lebenspartnerin fand S. noch im gleichen Jahr in der aus einer reichen italienischen Industriellenfamilie stammenden Sängerin
Veröffentlichungen: "Georges Mandel, moine de la politique" (94), "Au bout de la passion, l'équilibre" (95; Gespräch mit Michel Denisot), "Libre" (01), "La république, les réligions, l'espérance" (04; dt. Der Staat und die Religionen), "Témoignage" (06; dt. "Bekenntnisse. Frankreich, Europa und die Welt im 21. Jahrhundert"), "Ensemble" (07), "La France pour la vie" (16), "Tout pour la France, Paris" (16), "Passions" (19; Memoiren), "Le Temps des Tempêtes" (21; dt. "Die Zeit der Stürme"; Memoiren), "Promenades" (21; Sachbuch über Kunst), "Le Temps des combats" (23; Memoiren).
Literatur: Nicolas Domenach: "Sarkozy. Au fond des yeux" (04), Catherine Nay: "Un pouvoir nommé désir" (07), Jean Viard (Hrsg.): "Le Président a promis ... une France qui change!" (07; Sarkozys Programm im zeitgeschichtlichen Kontext),
TV/Film: "Liebe an der Macht:
Auszeichnungen (u. a): "Commandeur d'Ordre du Leopold" in Belgien (04), Spanischer Orden vom Goldenen Vlies (12).
Im Febr. 2017 zog S. in den Verwaltungsrat der Hotelgruppe Accor ein, um deren internationale Beziehungen er sich kümmern sollte (Mandat bis Ende 2024).
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